Die Reise der Scythe 1 - Aszendenz by Dirk van den Boom

Autor:Dirk van den Boom
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Cross Cult
veröffentlicht: 2018-11-15T00:00:00+00:00

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Geons Tod war nicht bemerkenswert, da alle damit gerechnet hatten. Er war kurz vor Ablauf des Timers noch einmal wach gewesen, doch hatte nicht viel mehr bewegt als seine Augen, die er auf Riem gerichtet hielt. Auch sein Nachfolger Saim hatte zugegen sein wollen, doch war ihm der Zutritt verwehrt worden. Geon hatte zum Schluss nicht einmal mehr Anstalten gemacht, den Arm zu heben und sich weitere dreißig Stunden zu verschaffen. Er war kurz vor dem Ende der Zeitspanne wieder eingeschlafen, und die Injektion hatte ihn auf gnädige Weise vom Schlaf in den Tod geleitet.

Als der Rat davon erfuhr, brach erst einmal keine Hektik aus. Dieses Gremium war von ornamentaler Formalität, seit Hunderten von Jahren gewoben in ein Netz von ritualistischen Verhaltensweisen und Prozessen, die auch ein Saim nicht einfach beiseiteschieben konnte. Er musste sich fügen, obgleich er seinen Triumph wie auch seinen Tatendrang nur schwer beherrschen konnte, als die Nachricht allgemein bekannt gemacht worden war.

Der vergiftete Leib des Toten wurde aufgebahrt, wie es bei einem Ratsvorsitzenden üblich war, und die Prozession der anderen Ratsmitglieder wurde in die ganze Sphäre übertragen, wenngleich es im Grunde nur jene interessierte, die die Autorität Geons anerkannt hatten, und selbst in dem Falle nicht alle. Auch Saim, obgleich jeder wusste, dass er für den alten Mann nie mehr als Verachtung empfunden hatte, reihte sich in die Schlange ein, verbeugte sich vor dem verwittert wirkenden Körper, dessen Zerbrechlichkeit nun, der belebenden Seele beraubt, besonders augenscheinlich wurde. Er wurde von vielen dabei beobachtet, vor allem von Riem, der übergangsweise das Amt des Ratsvorsitzenden innehatte, bis eine Neuwahl stattfand, an deren Ausgang es jetzt keinen Zweifel mehr geben konnte. Das alte System war am Ende. Es würde einen Krieg geben, und es mussten so viele sterben, bis die Kapazitäten wieder ausreichten, um dem Rest das Überleben zu sichern. Bis zum nächsten Mal. Bis zum Ende der Reise. Falls es jemals dazu kommen würde. Und Saim würde sie in diesen Krieg führen.

Ein Zyklus neigte sich dem Ende zu. Geon hatte versucht, das Unausweichliche aufzuhalten, und heute, zu diesem Anlass, wurde der drohende Kataklysmus noch einmal durch die Rituale und Formalitäten überdeckt, der Anschein von Einigkeit und Zuversicht erweckt, einfach, weil man es so tat, obgleich fast alle ahnten, dass nun eine sehr dunkle Zeit anbrechen würde.

Noch wahrten sie gemeinsam die Form. Sie trugen die Festgewänder ihrer Kulturen, alle nur dadurch miteinander vergleichbar, dass sie den purpurnen Streifen des Rates irgendwo eingewebt hatten oder ihn trugen wie ein Halsband. Es herrschte andächtige Stille, als die Prozession sich langsam dem Toten näherte, man hörte kaum mehr als die Berührung der Füße auf dem Boden, das Rascheln der Kleidung, nicht einmal ein gedämpftes Wort. Es gab keine Bekundungen der Trauer, obgleich manche sicher eine solche empfanden. Geons Tod war das Ende einer Epoche, einer weiteren in der endlosen Abfolge, soweit die Aufzeichnungen der Großen Reise zurückreichten. Es lag Melancholie in der Luft, mehr als sonst, denn nicht nur ein Leben war verloschen. Die meisten Ratsmitglieder, die einträchtig nebeneinanderstanden, würden in Kürze erbitterte Feinde sein, und nicht wenige von ihnen würden diesen Kampf nicht überleben.

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